Redebeitrag der Initiative 12. August zum Gedenken an Alberto Adriano in Dessau am 11.06.2019

Redebeitrag der Initiative 12. August zum Gedenken an Alberto Adriano in Dessau am 11.06.2019

Vielen Dank für die Einladung.

Sehr geehrte Staatssekretärin Susi Möbbeck, Bürgermeisterin Sabrina Nußbeck, Verehrte Mitwirkende, Gäste und Freund*innen, wir gedenken heute an dieser Stelle im dessauer Stadtpark Alberto Adriano.

In der Nacht zum 11. Juni 2000 fiel Alberto Adriano einem brutalen, rassistischen Angriff durch Skinheads zum Opfer und kam nach 3tägigem Koma ums Leben. Herr Adriano lebte seit 1988 in der DDR und kam wie viele andere Menschen aus einem der sogenannten sozialistischen „Bruderländer“, aus Mosambique. Vertragsarbeiter*innen wie er hatte die DDR, aufgrund von Arbeitskräftemangel angeworben. Viele Vertragsarbeitende wurden also eingeladen mit dem Versprechen sich beruflich weiter entwickeln zu können. Für Viele war die DDR das fortschrittlichste sozialistische Land.

Doch ihre tatsächlichen Erfahrungen in der DDR waren häufig mit Isolation von der deutschen Mehrheitsgesellschaft, mit körperlich schwerer Arbeit und alltäglichem Rassismus verbunden. So berichtet Marcelo Figueroa, ehemaliger Vertragsarbeitender in Merseburg, von rassistischen Ressentiments und Beleidigungen in der DDR.

Paulino Miguel, damals mosambikanischer Vertragsarbeiter spricht von „einer doppelten Mauer“. So nahmen die Vertragsarbeitenden die DDR wahr. „Zum einen wegen der undurchlässigen Grenze nach Westen, zum anderen wegen der Abschottung von derDDR-Gesellschaft im Inneren.“

Keiner kann sagen, daß es den sogenannten „antifaschistischen Schutzwall“ wirklich gegeben hätte. Es wurden in der DDR jüdische Friedhöfe geschändet, Wohnungslose kriminalisiert und die formale Solidarität mit den Kolleg*innen der sozialistischen Länder wurde eher selten tatsächlich gelebt.

Alberto Adriano war nicht der einzige Vertragsarbeiter, der aus rassistischen Motiven ermordert wurde.

Ich möchte Ihnen gern einzelne Menschen und ihre Geschichte vorstellen. :

Manuel Diogo

wurde im Zug von Belzig nach Borne am 30. Juni 1986 brutalst ermordert. Der damals 23 jährige mosambikanische Vertragsarbeiter wurde durch die Tat so stark verletzt und zerstückelt, daß die Behörden die Angehörigen anwiesen, den Sarg nicht zu öffnen.

Carlos Conceicao

wurde von mehreren Rassisten über ein Brückengeländer in die Bode gestoßen. Der damals 18 jährige mosambikanische Lehrling starb daraufhin am 19. Sptember 1987 in Staßfurt.

Delfin Guerra und Raul Garcia Paret

wurden von einem Mob bestehend aus 30 bis 40 Deutschen durch Merseburg gejagt und rassistisch beschimpft. Auf ihrer Flucht waren sie gezwungen in die Saale zu springen und wurden anschließend mit Ziegelsteinen und Flaschen beschmissen. Die damals 19 und 21jährigen Vertragsarbeiter aus Kuba starben am 12. August 1979 in der Saale. Ihre Todesursache konnte die Gerichtsmedizinerin nicht vollständig ermitteln, weil die Behörden die Opfer erst nach 3 Tagen aus der Saale holten.

Einzelne Täter*innen äußerten sich öffentlich und stehen auch heute noch zu diesem menschenfeindlichen Gewaltausbruch und ihren Motiven.

Die Staatsanwaltschaft Halle lehnte jedoch 2016 die Wiederaufnahme der Ermittlungen ab.

Bei all diesen Fällen wurden die Ermittlungsverfahren innerhalb kürzester Zeit eingestellt oder abgeschlossen; eine vollständige juristische Aufarbeitung und strafrechtliche Maßnahmen stehen bis heute aus. In den meisten der Fälle wurden die Angehörigen über die tatsächlichen Todesursachen getäuscht.

Bis heute existiert kein Gedenkort oder eine etablierte Erinnerungskultur.  

Auch heute gibt es neue nicht vollständig aufgeklärte Fälle, bei denen rassistische Motive bewiesen oder stark vermutet werden. Darunter befinden sich alle Opfer des NSU; Menschen, die in deutschen Institutionen, wie in der dessauer Gewahrsamzelle oder in der Psychatrie in Hamburg, gestorben sind.

Oury Jalloh, Achidi John, Tonou – Mbobda.

Das was Euch passiert ist, werden und können wir nicht vergessen.

Wir können leider nicht sagen, daß der Antirassismus gewonnen hätte und der Faschismus aufgearbeitet wäre. In der Beständigkeit dessen müßen wir die rassistischen Morde zur Zeit der DDR, der  Wendezeit, 2000 und auch heute einordnen.

Die Menschen, die rassistische, rechte Gewalt erleben, müßen damals wie heute Kriminalisierung über sich ergehen lassen. Wenn sie Rassismus als Täterinnen- Motivation benennen, wird ihnen oft nicht geglaubt und Übertreibung vorgeworfen. Oder sie werden erneut diskriminiert, indem ihre Erfahrungen entpolitisiert werden.

Das Relativieren rechter und rassistischer Gewalt durch Staatsanwaltschaften, Behörden und Regierung hat Geschichte.

Das zeigen beispielsweise die Behandlung seitens der Geheimdienste der DDR und BRD von den Opfern und Angehörigen. Um nur ein Beispiel von vielen zu nennen.: Die Angriffe auf Nicht-weiße DDR Bürger*nnen wurden in der DDR als „Rowdytum“ bagatellisiert oder die Schuldfrage wurde direkt umgekehrt.

Rassismus und Menschenfeindlichkeit sind nicht ausschließlich die Taten und Ideologien einzelner Menschen und Gruppen, sondern werden von Institutionen sowie durch Gesetze mitgetragen, ermöglicht und legitimiert.

Nicht ausschließlich einzelne Angriffe auf People of Colour sind für uns alle gefährlich, sondern auch jeder diskriminierende Umgang seitens der Behörden mit People of Colour und Migrant*innen.

Sei es im Falle eines Angriffes oder in der täglichen Asylbehördenpraxis beim Einteilen der immigrierenden Menschen in gute und schlechte Bleibesperspektive.

Auch das bedeutet eine Gefahr für eine offene und demokratische Gesellschaft.

Warum ist das Gedenken heute so wichtig?!

Es ist wichtig , weil wir damit das Narrativ verschieben, hin zu den Menschen, die Diskriminierungen erleben. Die Definitionsmacht von rassistischer Gewalt muß denen gehören, die davon (potenziell) betroffen sind. Wie Ibrahim Arslan, Überlebender des Brandanschlages in Mölln sagt:  „Opfer und Überlebende sind die Hauptzeugen des Geschehen, keine Statisten.“ Gedenkorte und Erinnerungskultur können keine Gerechtigkeit wieder herstellen.

Was sie können ist eine andere Geschichte erzählen. Ein Narrativ herstellen, daß für Empathie und Zuhören in der weißen, priviligierten Gesellschaft sensibilisiert.

Sie ist ein warnendes Signal und politische Handlung zugleich.

Vor allem aber darf Gedenken keine Imagepflege sein, nichts womit wir uns schmücken sollten, nichts womit es genug ist, sondern Gedenken ist stets unsere Verantwortung. Der Verantwortung Rassismus keinen Raum zu geben.

Das Gedenken an Alberto Adriano steht beispielhaft für diese Chance und Hoffnung.

Wir, als Initiative 12. August sagen:

Manuel Diogo, Carlos Conceicao, Delfin Guerra, Raul Paret, Oury Jalloh und Alberto Adriano.

Nunca les olvidaremos!

Wir werden Euch nie vergessen!

Vielen Dank!

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